Superfood aus dem Baltikum - Heidelbeere, Chaga, Sanddorn und mehr
Estland ist ein kleines baltisches Land nördlich von Lettland mit knapp über 1,3 Millionen Einwohnern. Es ist besonders bekannt für den Mix aus unberührter Natur und High Tech IT.
Die Bezeichnung Baltikum leitet sich vom lateinischen „mare balticum“ ab, was wiederum im Deutschen die Ostsee bezeichnet. Im englischen ist die Bezeichnung „baltic sea“ erhalten geblieben.
Ostsee-Küstenstreifen im Baltikum
Wald direkt an der Ostseeküste im Baltikum
In den letzten Jahren strebt Estland an, eines der nachhaltigsten Länder der Welt zu werden und ist derzeit auch auf dem besten Weg. 40% der Waldflächen werden schon ökologisch bewirtschaftet und es wird weiter daran gearbeitet, dass mehr Wälder in Privatbesitz ohne großen bürokratischen Aufwand zertifiziert werden können. Mehr als die Hälfte der Landesfläche ist Waldfläche, davon sind 60% in Privatbesitz. Tatsächlich ist die Waldfläche in Estland über die letzten Jahre im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sogar gestiegen und es ist auch das Ziel der Estländer diesen Trend beizubehalten. Am Anfang war rund 80% Estlands mit Wäldern bedeckt, was dann aber durch den Anstieg an Landwirtschaft um 34% sank. Erst während der sowjetischen Besatzung begann der Anteil wieder anzusteigen, da viele landwirtschaftliche Flächen nicht mehr benutzt wurden. Durch landwirtschaftliche Reformen in den 90er Jahren konnte dieser Trend dann weiter fortgesetzt werden. Dies wird einem schnell deutlich wenn man mit dem Auto oder einer Busfahrt durch Estland begibt, denn man fährt fast ausschließlich an Wäldern vorbei. Gerade wenn man aus einer dicht besiedelten und landwirtschaftlich geprägten Region wie Nordrhein-Westfalen kommt, ist das ungewohnt.
Besonders reizvoll ist hier die Fahrt von Riga in Lettland nach Tallinn, da man hier die erste Hälfte der Strecke an einer Küstenstraße entlang fährt, die gerade während des Sonnenuntergangs die unvergleichliche Schönheit des Baltikums deutlich werden lässt.
An der Blau-Schwarz-Weißen Flagge kann man ganz leicht ablesen, was die unberührte Natur den Esten bedeutet. Das Blau steht für den Himmel, das Schwarz für die dichten Wälder und das Weiß für den Schnee im kalten Winter. Das harsche nordische Klima lässt nur die anpassungsfähigsten und stärksten Pflanzen und Tiere überleben. Die Pflanzen haben hier eine deutlich verkürzte Vegetationsperiode und müssen sich den kalten Temperaturen (von bis zu -35 Grad Celsius und nur 4-5 Sonnenstunden im Winter) widersetzen. Eine dieser Pflanzen ist die Fichte, welche besonders winterbeständig ist und deren essbare Sprossen viel Vitamin C enthalten. Frisch genossen schmecken die zarten jungen Triebe noch relativ mild, sind aber dennoch etwas adstringierend.
Getrocknet und pulverisiert kann man Fichtensprossen auch als Tee oder in Smoothies genießen.
Der Reiseschriftsteller Traugott Bromme beschreibt im 19. Jahrhundert in seinem Buch „Gemälde von Nord-Amerika in Allen Beziehungen von der Entdeckung an bis auf die Neueste Zeit“ wie die Ureinwohner Nordamerikas aus den jungen Trieben der Schwarzfichte (Pinus nigra L.) ein heilsames Getränk, das sogenannte Sprossenbier, herstellten. Dieses Getränk diente über die Wintermonate als Vitamin C Quelle und die Tradition des „Brauens“ wurde auch an die Europäischen Einwanderer weitergegeben.
Aber nicht nur die Fichtensprossen auch das getrocknete Harz, welches man sehr einfach von Baumwunden absammeln kann, ist nutzbar. Gerade in der Weihnachtszeit stellt es, aufgrund seiner ätherischen Öle, ein wunderbar aromatisches Räuchermittel dar.
Junger Kieferzapfen
Chagapilz an Birkenstamm
In den Wäldern Estland finden sich aber noch viele weitere wertvolle Pflanzen.
Neben der Fichte sind Kiefern und Birken am weitesten verbreitet.
Birken werden im Baltikum auf vielfältige Art und Weise genutzt. Von jungen und kräftigen Birken wird im Frühjahr, wenn die Bäume voll im Saft stehen, das sogenannte Birkenwasser abgezapft. Hierzu bohrt man in den Stamm ein kleines Loch, in das man ein Röhrchen steckt, durch welches der Birkensaft dann abzufließen beginnt. Dieser Saft ist angenehm mild und erfrischend im Geschmack. Natürlich dienen die jungen Birkenblätter auch als Tee. Sie wirken harntreibend und werden deshalb gerne unterstützend bei Harnwegsinfekten eingesetzt.
An alten oft schon toten Birkenstämmen finden sich häufig Chaga-Pilze, auch Schiefer Schillerporling genannt. Ihnen wird nachgesagt, das Immunsystem zu stärken, und so wurden sie schon in Urzeiten, in den nordischen Ländern, Finnland, Estland, Russland, etc. als traditionelle Medizin verwendet.
Da der Chaga Pilz sehr langsam wächst findet man große und ausgeprägte Exemplare nur sehr selten in den Wäldern.
Zu den Füßen der Birken findet man oft ausgeprägte Teppiche aus Preisel- und Heidelbeerbüschen.
Beide Beeren sind im Spätsommer reif zur Ernte und zum Verzehr.
Man kann die Heidelbeeren natürlich per Hand ernten, dass ist aber eine sehr zeitaufwändige und mühselige Arbeit, da die Büsche in der Regel nicht sehr hoch wachsen.
Daher kommen hier gerne die sogenannten Blaubärkämme zum Einsatz. Der Baubärkamm lässt beim Pflücken der Beeren die Zweige und Blätter intakt und schädigt die Heidelbeersträucher also nicht. Eine maschinelle Ernte kommt hier natürlich nicht in Frage. Einerseits liegt dies natürlich an den landschaftlichen Gegebenheiten und zum anderen wäre es ökologisch nicht sinnvoll.
Heidelbeeren
Die Birken-Rotkappe ist essbar
Neben den traditionellen Wäldern ist Estland aber auch für seine Moorwälder bekannt. Nach der letzten Eiszeit einstanden diese Moore. Das geschmolzene Eis, das sich sammelte, war sehr sauerstoffarm. Pflanzen und Bäume, die darin wuchsen und starben, verwitterten nicht vollkommen. Dadurch wurde das Wasser mit der Zeit zu dem Moorland, wie wir es heute in Estland sehen können. Mehr als 6 Prozent Estlands sind mit Moorland bedeckt, welches man an manchen Orten über Stege auch besichtigen kann.
Steg durchs Moor
Derselbe Steg :)
In den Wäldern finden sich auch unzählige teils riesige Findlinge, die von den Gletschern aus Skandinavien nach Europa transportiert wurden. Diese sind manchmal mit Leitern erklimmbar.
Riesen-Findling im Wald
Riesen-Findling mit Leiter
Die Wälder sind den Estländern sehr wichtig. Bei meinen Besuch erzählte mir eine ältere estländische Dame, dass sie es immer im Sommer vorzieht, in der Nähe der Natur zu wohnen. Obwohl sie dort ein viel weniger komfortables Leben ohne Heizung oder normalen Herd hat als in der Stadt mit der Familie, ziehe es sie im Sommer immer wieder dorthin zurück.
Auch die Hahnenkamm-Koralle ist essbar
Der Fliegenpilz ist zwar schön, aber leider nicht essbar.
So sieht man vor allem im Spätsommer und Herbst immer Menschen mit Blaubärkamm und Pilzkörbchen durch die Wälder streifen, die die Vielfalt, Reichhaltigkeit und Schönheit der estnischen Wälder zu schätzen wissen.
Ein Besuch lohnt sich also auf jeden Fall.