Seltene und vergessene Lebensmittel und ihre Bedeutung heutzutage
Unsere Ernährung ist heutzutage durchaus von einer großen Vielfalt geprägt und Lebensmittel, die noch bis vor wenigen Jahrhunderten in Europa entweder sehr selten oder vollständig unbekannt waren, wie Kartoffeln, Tomaten, Mais oder auch Südfrüchte wie Bananen und Ananas gehören heute ganz selbstverständlich zum Speiseplan.
Während die ersten Bananen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus Madeira und den kanarischen Inseln in Deutschland eintrafen, verbreiteten sich getrocknete und gezuckerte Ananas bereits im 16. Jahrhundert in Europa und wurden hier sogar in Gewächshäusern angebaut, blieben aber vorerst eine Delikatesse die den Reichen vorbehalten blieb.
Anders verhält es sich mit Kartoffeln, Tomaten oder Mais. Anfangs noch argwöhnisch beäugt und wenig verbreitet, waren sie bald in aller Munde.
Vor allem die Kartoffel stach dabei durch Ihr hervorragendes Nährstoffprofil und ihre gute Verdaulichkeit hervor.
Reich an Kohlenhydraten und anderen Nährstoffen, wie Kalium und Magnesium, wurde Sie nach den anfänglichen Startschwierigkeiten bei der Bevölkerung in Europa rasch beliebt und wurde bald als leicht zu kultivierendes Grundnahrungsmittel geschätzt.
Während die obigen Produkte erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in Deutschland bekannt und verfügbar sind, gibt es andere Lebensmittel, die schon vor deutlich längerer Zeit eingeführt und verbreitet wurden und damit eine ausgeprägte Nutzungsgeschichte hatten, heutzutage aber oft schon wieder in Vergessenheit geraten, sehr selten sind oder nur eine regionale Bekannt- bzw. Beliebtheit genießen.
Einige davon wollen wir hier vorstellen.
Die Mispel oder Mespilus germanica – Eine fast unbekannte Frucht:
Mispeln am Baum
Beginnen wollen wir mit der Mispel oder auf Latein Mespilus germanica, einer als Strauch oder Baum wachsenden Pflanze, die bis zu 6 Meter hoch wird und eine ausladende Krone bildet, an der sich im Herbst zahlreiche Früchte zur Ernte bereit machen. Die Früchte erscheinen braun bis orange, rund und bilden an der Spitze einen kleinen Krater, von dessen Rand kleine spitze Kelchblätter nach oben ragen.
Diese nicht mit der Mistel, einer auf Bäumen wachsenden Schmarotzerpflanze, zu verwechselnde Frucht, wurde von den Römern nach Westeuropa eingeführt und war über viele Jahrhunderte ein geschätztes Obst, unter anderem, da sie nur wenig schädlings- und krankheitsanfällig ist und nur wenige Ansprüche an den Standort stellt.
Vor allem in Klostergärten wurde die Mispel von Mönchen kultiviert. Um genießbar zu werden benötigen Sie entweder Frost oder eine längere Lagerung. Die Konsistenz wird dann recht weich, fast schon matschig und der Geschmack ist eher gewöhnungsbedürftig, da die Früchte nur wenig süß dafür aber adstringieren sind.
Heutzutage findet man die Mispel leider nur noch in sehr selten in Gärten, manchmal aber in verwilderter Form am Wegesrand. Entsprechend spärlich ist Ihre Nutzung.
Im Saarland wird aus den Mispel der sogenannte Hundsärsch-Schnaps gebrannt. Hundsärsch wird die Mispel dort im Volksmund genannt, da ihre Form an das Hinterteil eines Hundes erinnern soll.
Geschmacklich deutlich angenehmer aber nur entfernt mit der echten Mispel verwandt ist die japanische Wollmispel.
Diese wird auch heute noch auf einigen Plantagen in Südeuropa kultiviert und hat im vollreifen Zustand einen sehr aromatischen und angenehmen Geschmack.
Ein Video über die Mespilus germanica finden Sie nachfolgend.
Eine weitere Frucht die von den Römern in Westeuropa eingeführt wurde, ist die Edelkastanie auch Esskastanie oder Marone genannt.
Die Esskastanie – braun, rund, lecker und selten geworden
Ähnlich der Mispel hat die Esskastanie heute nur noch einen geringen kommerziellen Wert, ihre Verwendung ist recht selten geworden und sie ist den meisten Menschen wahrscheinlich nur als leckerer Snack auf dem Weihnachtsmarkt bekannt.
In früheren Jahrhunderten war dies einmal anders und ist es in einigen europäischen Ländern im Süden Europas auch heute noch.
Ursprünglich aus dem Kaukasus stammend, breitete sich die Esskastanie ab dem 9 Jahrhundert vor Christus rasch Richtung Mittelmehrraum aus, wo Sie vor allem von den Griechen als Lieferant für Mehl, Brot und Suppen genutzt wurde.
Die Römer siedelten die Esskastanie schließlich im gesamten Römischen Reich an und machten Sie zu einem wichtigen Nahrungslieferanten.
Vor allem ihr Kohlenhydrat-Anteil macht die Esskastanie für die Ernährung interessant und so wurden sie zwischen dem 6. bis zum 19 Jahrhundert ein wichtiges Grundnahrungsmittel in ganz Europa. In Korsika zählt sie, wie man in nachfolgendem Video sehen kann, auch heute noch dazu.
Wie beim Wein in anderen Teilen Italiens waren es dann die Mönchsorden, die die Geschichte der Kastanie veränderten, indem sie sich im Mittelalter um die Wiederaufforstung der Berggebiete kümmerten und auch für die Anpflanzung neuer Bäume sorgten. Für sie arbeiteten die Castagnatores, Bauern, die von den Mönchen in der Pflege des Waldes und der Kastanienbäume unterrichtet wurden, deren Früchte historisch gesehen für die Ernährung der armen Bergbevölkerung bestimmt waren.
Dies ist nur allzu verständlich, denn auf den kargen Berghängen wuchs Getreide wie Weizen und Roggen oft nur spärlich und lieferte nur niedrige Erträge.
Die Esskastanie hingegen kommt mit kargen Böden gut zurecht und lieferte bis zu dreimal mehr Kalorien wie ein Getreideanbau auf vergleichbarer Fläche.
Da die Bäume relativ spät blühen waren sie vor Frösten geschützt und lieferten ihren Ernteertrag daher stets zuverlässig, was, Forstinspektor Friedrich Merz zufolge, die Bevölkerung in Zeiten der wirtschaftlichen Not auch schon einmal vor dem sicheren Hungertod bewahrte. So zum Beispiel auch in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts als die Kartoffelfäule ganz Europa heimsuchte und vor allem in Irland eine verheerende Hungersnot auslöste.
Darüber hinaus sind Kastanien getrocknet sehr lange haltbar und ließen sich somit gut lagern.
Die Kastanie bot aber nicht nur den Menschen Nahrung sondern ist in ihrer Blütezeit auch für Bienen attraktiv, die dank des Edelkastaniennektars und des Honigtaus einen geschmacklich einzigartigen Kastanienhonig produzieren.
Trotz der vielen Vorteile die die Esskastanie bot, wurde sie dennoch schrittweise immer mehr durch den Kartoffel- und Getreideanbau verdrängt.
Dies hatte vielfältige Ursachen. Zum einen begann im 19 Jahrhundert die effektivere Nutzung von Dünger und zum anderen die mechanisierte Bodenbearbeitung.
Über Jahrhunderte hinweg hatten die Menschen das Problem, dass der Dünger im Verhältnis zur genutzten Ackerfläche knapp war. Während wir heute also eher von einer Überdüngung und den damit verbundenen Problemen wie erhöhten Nitratwerten zu kämpfen haben, war der genaue Zusammenhang zwischen Dünger und Pflanzenwachstum nicht nur unbekannt, sondern bereitete auch aus unterschiedlichen Gründen Probleme.
Einerseits stand insgesamt zu wenig tierischer Dünger zur Verfügung, da entweder einfach zu wenig Tiere vorhanden waren. Zum Beispiel weil Tierhaltung natürlich ein Zeichen von Wohlstand war, da sie in der Anschaffung teuer waren und somit in größeren Mengen den Wohlhabenderen vorbehalten waren. Oder aber weil diese aufgrund des Futtermangels teilweise vor dem Winter geschlachtet wurden, da man sie sonst nicht hätte ernähren können und sie in der Regel sowieso eine eher karge Fütterung erhielten.
Andererseits wurden viele Tiere auf gemeinschaftlichen Flächen und Wäldern, den sogenannten Allmenden, sich selbst überlassen, wodurch der Kot entweder ganz verloren ging oder den Feldern nur in geringem Umfang zu Gute kam.
Esskastanienbaum im Herbst
Dies änderte sich zunächst in kleinen Schritten.
Ab dem 18 Jahrhundert wurde damit begonnen die Äcker zur Regeneration nicht mehr brachliegen zu lassen sondern mit Stickstoff anreichernden Pflanzen, zum Beispiel Leguminosen oder Kleearten zu bepflanzen.
Der nächste Schritt war die Nutzung von Jauche, also nährstoffreicher Tierurin der zunächst gesammelt und dann zur Düngung auf die Felder ausgebracht wurde.
Ab Mitte des 19 Jahrhunderts kam dann der chemisch hergestellte Dünger in Mode, der rasch zunahm und den Anbau von Kartoffeln und Getreide um ein vielfaches ertragreicher machte.
Eine weitere Ursache für die stärkere Verbreitung von Kartoffeln und Getreide anstelle von Kastanien, war der Strukturwandel durch moderne Landwirtschaftsgeräte.
Ebenfalls ab Mitte des 19 Jahrhunderts begann die Mechanisierung in der Landwirtschaft. Es kamen zum ersten mal motorgetriebene Maschinen zum Einsatz, die den bis dahin üblichen Pferdepflug ablösten und ein vielfaches der bisher üblichen Arbeit verrichten konnten. Auch die Errichtung von Gewächshauskomplexen trägt heute dazu bei, große Mengen an Nahrungsmitteln zu produzieren.
Somit verloren die Kastanienwälder immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung, bis Esskastanien immer mehr zu einem seltenen Lebensmittel wurden und immer seltener auf dem Speiseplan landeten. Die Kastanienwälder wurden damit mehr und mehr sich selbst überlassen und verwilderten zusehends bis die einst als Brotbaum bekannte Edelkastanie, von wenigen Regionen abgesehen, in relative Vergessenheit geriet.
Heutzutage erlebt die Esskastanie eine kleine Renaissance, da sich immer mehr Menschen für eine abwechslungsreiche regionale und klimagerechte Ernährung interessieren und entscheiden.
Wie es mit den Esskastanienwäldern weitergeht und wie diese dem Klimawandel trotzen, kann man in folgendem Video erleben.
Mit der ähnlich aussehenden Rosskastanie ist die Esskastanie übrigens nicht verwandt, weshalb man deren Früchte auch nicht konsumieren sollte.
Ein anderes Lebensmittel das über Jahrhunderte auf dem Speisezettel der armen Landbevölkerung stand und schließlich durch die Kartoffel und das Getreide fast vollständig verdrängt wurde, war der Hanf. Auch diese Pflanze erlebt heutzutage eine kleine Renaissance. Dies hat vielfältige Gründe.
Hanf - vom Grundnahrungsmittel zum fast vergessenen Superfood
Die ursprünglich aus dem Nordwesten Chinas stammende Pflanze, wird seit etwa 12.000 Jahren kultiviert und fand über die Jahrtausende hinweg natürlich auch Ihren Weg nach Europa und andere Teile der Welt, wo sie heute wild wachsend fast überall zu finden ist.
In den vergangenen Jahrtausenden war die Hanf-Pflanze nicht nur aufgrund ihrer Nährstoffeigenschaften bekannt, sondern hatte zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.
Hanf ist eine sehr widerstandsfähige Pflanze mit einer robusten und vor allem langen Pflanzenfaser und wurde deshalb überall dort verwendet, wo belastbare und langlebige Materialien gebraucht wurden. Zum einen kam die Hanffaser beim Schiffsbau für die Herstellung von Tauen und Segeltüchern zum Einsatz. Gerade im Europa des 17. Jahrhunderts war Hanf ein unabdingbarer Rohstoff, denn in diesem Jahrhundert begann der Überseehandel von den Niederlanden ausgehend zu blühen.
Dies wurde auch das „Goldene Zeitalter“ genannt und bescherte den Niederlanden aufgrund der Erfindung der Sägemühle, der damit verbundenen deutlich rascheren Schiffskonstruktion und der wiederum damit verbundenem Überlegenheit als Handelsmacht einen enormen Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand, wie in der folgenden 4-teiligen Arte-Dokumentation zu sehen ist.
Dieser konnte auch die parallel laufenden Kriege, wie den 30-jährigen oder den Niederländisch-Spanischen-Krieg aufgehalten werden.
Zum anderen fand die Hanffaser neben Wolle breiten Einsatz in der Textilindustrie und nahm hier sogar eine dominierende Stellung ein. Die geschmeidigere und leichter zu verarbeitende Baumwolle war noch wenig verfügbar und aufgrund ihrer Seltenheit nur der wohlhabenderen Bevölkerung zugänglich.
Hanf dagegen war überall verfügbar und wurde daher weitläufig für die Herstellung von belastbaren Kleidungsstücken verwendet.
Doch auch ein weiterer Wirtschaftszweig profitierte von dieser vielfältigen Pflanze. Die Papierindustrie.
Von China ausgehend fand Papier ab dem 11. Jahrhundert in Europa seine Verbreitung. Hier wurde vor allem ein Gemisch aus Hanffasern und Flachs verwendet.
Die ab dem 13. Jahrhundert aufkommenden Papiermühlen vereinfachten den Prozess der Papierherstellung, so dass Papier bald die Oberhand über das bis dahin verwendete Pergament gewann.
Spätestens mit Erfindung der modernen Druckpresse mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg fand das Papier eine weitläufige Verbreitung in Europa.
Sowohl die berühmte Gutenberg-Bibel als auch die Unabhängigkeitserklärung der USA fanden auf Hanfpapier ihren Druck bzw. ihre Niederschrift.
Hanf wurde aber nicht nur wegen seiner Fasern geschätzt, sondern fand auch in der Ernährung, vor allem der armen Landbevölkerung, eine breite Anwendung.
Dies hat seine Ursache in den hervorragenden Nährstoffeigenschaften der Hanfsamen. Hanfsamen haben einen hohen Öl- und Eiweißgehalt.
Die mit 30-35% in ungeschälten Hanfsamen enthaltenen Fette bestehen fast ausschließlich aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren, vor allem Omega-6 und Omega-3.
Der Eiweißgehalt steht dem mit 25-30% in nichts nach.
Somit war Hanf in kargen Zeiten ein wichtiges und reichhaltiges Nahrungsmittel.
Vor allem aus dem Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein gibt es Belege über die Nutzung von Hanf als Lebensmittel. Hierbei gibt es Erwähnungen von Hanfmus, Hanfbrei, Hanfquark und Hanfklößen, die durchaus auf eine umfangreiche Nutzung schließen lassen.
Auch als Fastenspeise waren die Handsamen wohl weitläufig im Einsatz.
Über die historische Verwendung von Hanf als Lebensmittel finden Sie unter folgenden Link eine schöne Abhandlung.
Aber auch die Verdrängung des Hanfs war nur eine Frage der Zeit.
Als Lebensmittel wurde der Niedergang des Hanfs, genau wie bei den Esskastanien, durch das Aufkommen besserer Düngemethoden und der fortschreitenden Mechanisierung der Landwirtschaft besiegelt.
In der Papierindustrie gab es zahlreiche Versuche die Hanffaser durch andere Werkstoffe zu ersetzten. Wirklich erfolgreich wurde man damit erst Mitte des 19. Jahrhunderts, mit Erfindung des sogenannten Holzschleifers.
Diese Maschine ermöglichte eine mechanisierte Zerfaserung von Holz, ein Prozess an dessen Ende ein Faserstoff steht, der einen Ausgangsstoff für die industrielle und kostengünstige Herstellung von Papier darstellt.
Faserhanf nach der Ernte
Da Holz selbst in großem und billigem Umfang zur Verfügung stand, wurde Hanf als Ausgangsmaterial für Papier immer seltener und bald daraufhin abgelöst.
Auch als Grundstoff für die Textilindustrie hatten Hanf und auch ihr ebenbürtiger Partner die Wolle bald ausgedient.
Wie schon im Ratgeber-Artikel „Die Aspermühle – Im Wandel der Zeit“ beschrieben, erlebte die Baumwollindustrie in den USA ab Ende des 18. Jahrhunderts durch die Ausbeutung afrikanischer Sklavenarbeiter und die aufkommende Mechanisierung einen enormen Aufschwung.
Zum einen konnte durch die massive Ausnutzung von Sklaven Baumwolle in großem und billigen Umfang vor allem in den Südstaaten der USA angebaut und geerntet werden.
Zum anderen wurde es mit der Erfindung der Baumwollentkörnungsmaschine von Ely Whitney im Jahr 1793 möglich, Baumwolle in großem Stil maschinell zu verarbeiten, die vorher nur in kleinen Mengen händisch sortiert werden konnte.
Weitere Erfindungen wie die "Spinning Jenny" oder die mit Wasser angetriebene „Waterframe“ ebneten zum einen den Weg für weitere Erfindungen in diesem Bereich und natürlich den Weg für die maschinelle Verarbeitung und damit der Massenproduktion von Baumwollstoffen. Das folgende Bild zeigt zeigt eine sogennnte "Spinning Mule" (auf deutsch Spinn-Maultier). Dies war eine Kombination aus "Spinning Jenny" und "Waterframe" und konnte bis zu 1000 Spindeln zur Garnproduktion gleichzeitig tragen. Hieran kann man sich leicht ausmalen, dass eine solche Maschine enorm viel Arbeitskraft einsparte und damit in deutlich kürzerer Zeit kostengünstig Baumwollgarn produzieren konnte.
Der Hanf hatte damit quasi fast vollständig ausgedient.
Heutzutage besinnt man sich wieder auf die positiven Eigenschaften des Hanfs, der gegenüber seinen Mitbewerbern, vor allem in Sachen Nachhaltigkeit, einige Vorteile aufweist. Seitdem Nutzhanf 1996 in der EU wieder freigegeben wurde, gewinnen sowohl die Faser als auch die zu Ernährung genutzten Samen wieder an Bedeutung.
Beim Anbau ist der Hanf relativ anspruchslos und benötigt im Gegensatz zur Baumwolle nur wenig Wasser. Ebenso ist er gegenüber Schädlingen recht resistent und benötigt daher wenig oder keinen Pflenzenschutz. Da er auch auf kargen Böden noch recht gut wächst, mit kleinen Düngergaben zurecht kommt und je nach Sorte problemlos in Europa kultiviert werden kann, ist Hanf in der heutigen Zeit, die vom Gedanken der Nachhaltigkeit bestimmt ist, optimal geeignet.
Wie bereits beschrieben liefern Hanfsamen hochwertige mehrfach ungesättigte Fettsäuren und sind reich an Eiweiß. Das Protein in Hanfsamen enthält alle 8 essentiellen Aminosäuren, das heißt alle Proteinbausteine, die der menschliche Körper nicht selber bilden kann.
Gerade Sportler die sich vegan ernähren nutzen heute deshalb gerne Hanf-Protein-Pulver.
Darüber hinaus enthalten Hanfsamen Eisen, Magnesium, Zink, Vitamin B1 und Vitamin E. Sie sind damit ein echtes regionales und umweltfreundliches Superfood.
In der Bekleidungsindustrie spielt Hanf heutzutage immer noch ein Nischendasein, was daran liegt, dass Hanffasern im Gegensatz zu Baumwolle doch recht unkomfortabel zu tragen sind und sich Maschinen bzw. chemische Verfahren, durch welche man die Hanffaser zu einem feinen Garn verarbeiten kann, in Europa noch nicht durchgesetzt haben.
Somit kommt Hanf aktuell vor allem in der Bau- und Autoindustrie zu Einsatz.
In der Autoindustrie wird die Hanffaser wegen ihrer Stabilität für Türverkleidungen verwendet.
In der Bauindustrie rückt die Hanffaser wegen Ihrer hervorragenden Dämmeigenschaften wieder mehr in den Fokus.
In Verbindung mit Kalk oder Lehm ergeben sich hervorragende Baustoffe, die hochgradig feuchtigkeitsregulierend und wärme- und kältedämmend sind und somit zu jeder Jahreszeit für ein angenehmes Raumklima sorgen.
Mehr über Hanf als Dämmmaterial erfahren Sie nachfolgend.
Ein weiterer Vorteil ist die Umweltverträglichkeit. Während des Bauvorgangs ist Material aus Hanf CO2-neutral. Sollte die mit Hanffasern errichteten Bauteile einmal abgerissen werden, kann das Baumaterial einfach in den natürlichen Kreislauf zurück gegeben werden.
Zierquitten - als Lebensmittel wenig beachtet - von Kennern dennoch geschätzt
Wir wenden uns nun einer Verwandten der Eingangs beschriebenen Mispel zu, der Zier- oder Scheinquitte (Chaenomeles japonica). Diese dürfte, im Gegensatz zur der am Baum wachsenden Quitte (Cydonia oblonga) den meisten Menschen als Nahrungsmittel oft nicht mehr bekannt sein.
Dies ist wirklich schade, denn die Zierquitte weißt ein unvergleichliches Aroma auf, welches das Ihrer großen Schwester sogar noch übersteigt.
Bei den Zierquitte handelt es sich, wie auch schon bei der Mispel, um ein Kernobstgewächs. Ursprünglich stammen die Sträucher aus Japan und China, von wo aus sie Ende des 18. Jahrhunderts ihren Weg nach Europa fanden.
In der Regel werden die Sträucher zwischen 1-1,5m hoch, können aber sortenabhängig auch bis zu 3m hoch werden.
Im Frühjahr gehören sie zu den zeitigen Blühern und ihre orange bis roten, zuweilen auch weißen, Blüten bieten Wildbienen und Hummeln Nektar und vor allem reichlich Pollen.
Ihre leuchtend gelben etwa 5-6cm großen Früchte reifen im Spätsommer heran und verströmen einen angenehm fruchtig-aromatischen Geruch.
Oft findet man die Zierquitte an Wegrändern, Gärten oder in ansprechend gestalteten Parks.
Nun ist die Zierquitte nicht nur schön anzuschauen, sondern ist wie Ihre große Schwester die Baumquitte auch wunderbar aromatisch im Geruch und Geschmack.
Roh ist sie nicht verzehrbar und dafür wäre sie auch zu hart und die Kerne im inneren sind leicht giftig.
Entkernt und aufgekocht, mit Zucker und vielleicht einigen Gewürzen versehen entfaltet sie kräftiges Aroma, welches das der Baumquitte sogar noch übertrifft. Da sie allerdings auch um einiges sauerer ist, benötigt sie auch verhältnismäßig mehr Zucker als diese.
Wie man aus Zierquitten ein leckeres Gelee zubereitet, erfahren Sie im folgendem Video.
Einige leckere Rezepte dazu finden Sie in unserem Blog- und Ratgeberbereich. Bitte beachten Sie, dass diese für die großen Quitten geschrieben sind und deshalb je nach Geschmack mehr Zucker hinzugefügt werden muss.
Natürlich eignen sich Zierquitten auch zur Fermentation.
Die Nutzung der Früchte begann in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts in der Ukraine und setzte sich Mitte des Jahrhunderts in Lettland vor, wo man die Zielsetzung hatte, die aus Japan stammende Chaenomeles japonica zu einer Sorte zu züchten, die einerseits ertragreich und andererseits dornenlos ist. Das Ergebnis dieser Bemühungen war die Sorte „Cido“, die auch als nordische Zitrone bezeichnet wird.
Größere Plantagen mit Scheinquitten wurden in Lettland, Polen und Litauen in den 70er bzw. den 80er Jahren angelegt.
Nach dem Ende des Sowjetunion kam die Kultivierung der Früchte allerdings erst einmal zum erliegen.
Da die gesunde und bewußte Ernährung in den letzten Jahren allerdings immer mehr ins Bewußtsein der Menschen drängt, erlebt auch die Zierquitte ein kleines Revival. In den baltischen Staaten und vor allem in Lettland finden sich heutzutage wieder diverse Plantage, auf denen man die Cido-Quitte finden kann.
Die Verarbeitungsformen der Cido sind zahlreich. Getrocknet als Beigabe im Tee, als Gelee, Kompott oder kandierte Trockenfrucht mit oder ohne Schokolade. Die Cido macht immer eine gute Form.
Auch in unserem Shop finden Sie diverse Artikel mit der geschmackvollen Zierquitte.
Wir wollen aber nicht nur bei heimischen Gewächsen verweilen, sondern uns auch etwas exotischeren Arten zuwenden und beginnen wollen wir mit der Vanille.
Vanille – In aller Munde und dennoch seltener als man denkt
Nun werden Sie denken, Vanille? Ist doch weder selten noch unbekannt. Doch echte Vanille ist seltener als Sie vielleicht denken, was vor allem an ihrer umständlichen Anbaumethode liegt.
Die Geschichte der Vanille beginnt in Mittelamerika. Vor allem bei den Azteken in Mexiko war die Vanille ein hochgeschätztes Gewürz, welches sie selbst von den Totonaken, den Bewohnern der Golfküste Mexikos, kennen lernten, als sie diese Mitte des 15. Jahrhunderts unterwarfen. Nach ihrer Unterwerfung mussten die Totonaken einen Teil ihrer Abgaben in Form von Vanilleschoten leisten.
Trocknung von Vanilleschoten in der Sonne
Seit dieser Zeit wurde die Vanille oder Tlixochitl (aztekisch für schwarze Blume) von den Azteken in einem „Xocolatl“ genannten Getränk konsumiert. Der geneigte Leser wird sich sicher denken können, dass es sich hierbei um Kakao handelt.
Das bittere Kakaogetränk gewann durch die Zugabe von Vanille noch einmal deutlich an Aroma und Würze, da Vanille in höherer Dosierung durchaus recht scharf ist.
Man muss dazu erwähnen, dass es sich bei dieser Urform des Kakaos nicht um das selbe Getränk handelt, wie wir es heute kennen. Vielmehr wurden die Kakaobohnen zerstoßen und mit Wasser aufgegossen und eventuell mit Maismehl versehen, was dem ganzen Getränk eine gewisse Cremigkeit oder Dickflüssigkeit verlieh und anschließend gewürzt, wozu zum Beispiel Vanille oder Chili verwendet wurden. Unter Umständen wurde das Getränk noch mit Salz und etwas Honig abgeschmeckt.
Sowohl der Kakao als auch die Vanille waren hierbei aber durchaus kein Alltagslebensmittel für die ganze Bevölkerung, sondern waren dem höherrangigen Adel, Kriegern und Herrschern vorbehalten.
Die Europäer kamen das erste Mal in Kontakt mit Vanille als die Spanier das Aztekenreich zwischen 1519-1521 überfielen und unterjochten.
Da die Vanille zu diesem Zeitpunkt ausschließlich in diesem Teil der Erde wuchs und die Spanier hierauf nun ein Handelsmonopol hatten blieb die Vanille eine seltene Rarität, die auch in Europa den Adligen, Reichen und Herrschern vorbehalten war.
Anfänglich wurde sie auch hier nach dem Vorbild der Azteken nur als Zutat für kakaohaltige Getränke verwendet.
Dies änderte sich allerdings Anfangs des 17. Jahrhunderts als der Hausapotheker von Queen Elisabeth Hugh Morgan Naschereien mit Vanille-Geschmack entwickelte, welche von der Königin hochgeschätzt wurden.
Weitere Berühmtheit erlangte die Vanille durch Thomas Jefferson, der diese als Zutat in Eiscreme, während seiner Zeit als amerikanischer Botschafter in Paris zwischen 1784-1789, zu schätzen lernte.
Wahrscheinlich stammte das ihm bekannte Rezept von seinem französischen Butler Adrien Petit, der gleichzeitig den Titel Maître d'hôtel trug und damit für die gesamte Haushaltsorganisation Jeffersons verantwortlich war.
Nach seiner Zeit in Paris trug Jefferson seine Liebe für Eiscreme und das entsprechende Rezept mit in die USA, wo es heute noch in der Bücherei des Kongresses zu finden ist.
Dies half die Bekannt- und Beliebtheit der Vanille in den USA zu steigern und der Bedarf schoss sprunghaft in die Höhe.
Dieser Hype wurde natürlich zum Problem, denn Spanien hatte nach wie vor ein Handelsmonopol auf Vanille, da diese ausschließlich in Mexiko wuchs und alle Versuche, sie außerhalb ihres natürlichen Habitats zum fruchten zu bringen, fehlschlugen.
1836 glaubte der Belgische Botaniker Charles Morren, die Ursache hierfür entdeckt zu haben. Um Früchte zu tragen müssen die Vanille-Blüten von spezialisierten Insekten befruchtet werden, die außerhalb Mexikos nicht existieren. Morren glaubte, dass diese Befruchtung durch stachellose Melipona-Bienen und seltener durch Kolibris stattfindet.
Neuere Studien haben dies allerdings nicht bestätigt, da die Bienenart für diese Aufgabe wohl zu klein ist. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Bestäubung durch größere Bienenarten wie die Holzbiene (Xylocopa) oder die Prachtbiene (Euglossini) stattfindet.
Somit kam für die Befruchtung der Vanille-Blüte nur eine Handbefruchtung in Frage.
Als schließlich der Sklave Edmond Albius 1841 auf La Reunion, die damals unter französischer Kolonialherrschaft stand und zum damaligen Zeitpunkt Île Bourbon hieß – daher auch der Name Bourbon-Vanille – eine einfache Methode entdeckte, um die Vanille von Hand zu befruchten, war die Vormachtstellung der Spanier innerhalb kurzer Zeit gebrochen.
Bei dieser Methode, die noch heute verwendet wird, wird die klebrige Pollenmasse der Vanilleblüte mit einem kleinen Stäbchen aufgenommen und anschließend auf die weibliche Narbe gedrückt.
Ein Video, welches die Methode veranschaulicht, finden Sie nachfolgend.
Unter Zuhilfenahme dieser Technik begannen die Franzosen recht schnell Vanilleplantagen auf Reunion, Mauritius und Madagaskar und den Komoren zu errichten.
Da Vanillearten Rankenpflanzen sind, die zu den Orchideen zählen und ursprünglich aus dem Regenwald stammen, brauchen sie zum wachsen einerseits tropisches Klima und andererseits ein System von Rank- und Stützhilfen, um optimal gedeihen zu können, wie man auf nachfolgendem Bild gut erkennen kann.
Vanilleplantage mit Beschattung
Auch heutzutage stammt der größte der Teil der weltweit gehandelten Vanille aus Madagaskar. Während die Insel allerdings bis Mitte der 80erJahre noch einen Marktanteil von 80% innehielt, sank dieser bis Anfang der 90er Jahre auf etwa 40%.
Somit vertreibt Madagaskar etwa 3.200 Tonnen hochwertiger Bourbon-Vanille, der weltweit geernteten Gesamtmenge an Vanille von gerade einmal 8.000 Tonnen (Stand 2017). Dies macht sie zu einem der seltensten Lebensmittel auf der ganzen Welt.
Der Hauptkonkurrent ist mit etwa 30% mittlerweile Indonesien, dessen Vanille allerdings eine minderwertige Qualität aufweist.
Die anderen Anbaugebieten verteilen sich auf China, Mexiko, Papua-Neuguinea, die Türkei, Uganda und Tonga.
Aber nicht nur die Anbaubedingungen sind schwierig und setzen Fachwissen voraus, um einen erfolgreichen Anbau zu gewähren. Auch die Verarbeitung nach der Ernte ist aufwendig.
In der Regel wird die Vanille-Bohne unreif geerntet und muss anschließend einer Hitzebehandlung unterzogen werden. Dies geschieht in der Regel mit mit etwa 65 Grad heißem Wasser, in welches die Bohnen einige Minuten getaucht werden.
Dies sorgt dafür, dass die Zellaktivität zum erliegen kommt, die enzymatische Aktivität aber erhalten bleibt.
Anschließend folgt das sogenannte „Schwitzen“, wobei überschüssige Feuchtigkeit entzogen wird, aber noch genug enthalten bleibt, um die enzymatische Aktivität zu erhalten.
Dies ist der wichtigste Schritt, da hierbei die Glukoside zu Vanillin abgebaut werden, welches der Vanille ihr typisches Aroma verleiht.
Anschließend werden die Schoten in der Sonne auf eine Restfeuchte von 20-30 % getrocknet und dann mehrere Wochen bis Monate gelagert, um das Aroma weiter zu intensivieren.
Anhand des schwierigen Anbau- und verarbeitungsprozesses kann man sich ausmalen, wie arbeitsintensiv es ist, um von der Aufzucht der Vanille-Orchidee bis zur fertigen Vanille-Schote zu gelangen. Dies sorgt natürlich dafür, dass Vanille-Schoten einen hohen Verkaufspreis erzielen, was wiederum Begehrlichkeiten weckt und Vanille-Diebe auf Madagaskar anlockt. Dies ist mittlerweile zum Problem geworden, wie die nachfolgende Reportage darlegt.
Dies ruft aber auch Lebensmittel-Betrüger auf den Plan, die mit billigen Imitaten, z.B. synthetischem Vanillin versuchen Händler und Verbraucher zu täuschen und auf deren Kosten Gewinn zu machen, wie Untersuchungen aus Frankreich in 2019 zeigten.
Auch heute noch ist Vanille eines der seltesten und das zweitteuerste Gewürz der Welt. Der erste Platz wird ihr nur von einem noch seltenerem Gewürz streitig gemacht, dem Safran. Hiervon wollen wir aber im zweiten Teil berichten.