Der Klever Reichswald soll Nationalpark werden

Direkt am Reichswald gelegen, hatte die Aspermühle natürlich immer eine besondere Beziehung zu selbigem.

Über viele Jahrhunderte diente der Reichswald als zuverlässiger und wertvoller Rohstofflieferant.
Als ursprünglicher Buchen- und Eichenmischwald, lieferte die im Wald weit verbreitete Eiche vor allem Eichenrinde, die im 16. Jahrhundert in der damals erschlossenen Lohmühlenanlage der Aspermühle zu Gerbstoffen weiter verarbeitet wurde.
Rund 300 Jahre später wurde die Aspermühle um eine Gattersäge erweitert, die Buchen- und Eichenstämme aus dem Reichswald sägte.

Aspermühle um 1920

Nähere Informationen über die Aspermühle und den Reichswald finden Sie in unserem Ratgeber „Die Aspermühle – Im Wandel der Zeit“.

Durch die stetige Abholzung büßte der Reichswald, der im 14. Jahrhundert noch von Nimwegen, über Goch nach Xanten reichte, natürlich fortlaufend an Fläche ein.

Diese Entwicklung erreichte während und nach dem zweiten Weltkrieg einen unrühmlichen Höhepunkt. Der Wald wurde zum Ende des zweiten Weltkriegs zum einen Kriegsschauplatz in der „Schlacht um dem Reichswald“ und dadurch natürlich schon erheblich in Mitleidenschaft gezogen und wurde andererseits in den Folgejahren für Feuerholz und die Errichtung der Siedlungen Nierwalde und Reichswalde noch weiter erheblich dezimiert.

Während 1945 noch rund 6.700 Hektar des Reichswaldes übrig waren, wurden in den Folgejahren mehr als 65% der verbliebenen Waldfläche gerodet, wodurch letztendlich eine Fläche von nur 2.200 Hektar übrigblieb. Weitere Informationen zu diesem Thema erfahren Sie in unserem Ratgeber "Die Renaturierung der Niers und andere naturnahe Räume zwischen Aspermühle und Kessel Teil 2".

Wiederaufgeforstet wurde der zerstörte Wald, wie in vielen Gegenden Deutschland, durch Fichtenbäume in Monokultur.

Dies ist in Zeiten des Klimawandels natürlich nicht optimal, da die Fichte ein Flachwurzler ist und ursprünglich eher in höheren kühleren Lagen um die 1000m angesiedelt war.

Sie ist daher nicht sehr resistent gegen Trockenheit und fiel daher in den letzten Jahren immer wieder dem Borkenkäfer zum Opfer, wie Sie in unserem Ratgeber "Der Borkenkäfer zwischen Forstwirtschaft und Waldnaturschutz" von Anna-Lea Ortmann nachlesen können.

Reichswald im Herbst
Reichswald im Herbst

Bürgerentscheid - Soll der Klever Reichswald Nationalpark werden?

Nun gibt es allerdings Bestrebungen, dieser Entwicklung entgegen zu wirken und den Klever Reichswald in einen Nationalpark umzuwandeln.
Ein Bestreben das in der Bevölkerung selbstverständlich kontrovers, mit vielen Pro- und Kontra-Argumenten, diskutiert wird.

So erhielten die Bewohner des Kreises Kleve Mitte November die Unterlagen zum Bürgerentscheid , der darüber bestimmen soll, ob der Reichswald Nationalpark wird oder nicht.

Begleitend zum Bürgerentscheid wurden Abstimmungsunterlagen mitgeliefert, die unter anderem noch einmal die wichtigsten Argumente aus Sicht der kommunalen Parteien enthielten.

Wir wollen uns hier die Argumente der Reihe nach ansehen und mit den Argumenten der Gegner eines möglichen Nationalparks fangen wir an.

Totholz im Reichswald
Totholz im Reichswald

Wird die Waldbrandgefahr durch Totholz erhöht?

Als eines der möglichen Risiken bei der Umgestaltung eines Forsts zu einem Wald wird die Waldbrandgefahr angegeben, die sich durch anfallendes Totholz angeblich erhöhen würde.

Diese Argumentation ist allerdings nicht schlüssig, denn Totholz ist im Gegenteil ein wichtiger Wasserspeicher im Wald. Je weiter sich die Zersetzung des Holzes fortsetzt, desto weicher wird das Holz und desto mehr Wasser ist dieses in der Lage zu speichern.

Im Gegensatz dazu erhöhen Monokulturen-Nadelwälder die Brandgefahr deutlich.

Zum einen weil die Bäume durch die Trockenheit der letzten Jahre oft vorgeschädigt und wenig wasserführend sind, was in Kombination mit trockenen Nadeln und dem höheren Harzgehalt von Nadelbäumen eine gute brennbare Mischung ergibt.
Ein Übermaß an Fichtennadeln sorgt durch die Übersäuerung für ein weiteres Problem, eine zu geringe Humusschicht, die normalerweise einen großen Wasserspeicher darstellt.
In Kombination mit dem im Vergleich zu Laubwäldern sehr lichtdurchlässigen Kronendach, trocknet ein Nadelwald verhältnismäßig schnell aus.

Buche als Wasserspeicher

Buchen sind natürliche Wasserspeicher
Buchen sind natürliche Wasserspeicher

Da die Waldbrandgefahr im Klever Reichswald zusätzlich durch die im zweiten Weltkrieg liegengebliebenen Munitions-Blindgänger sowieso erhöht ist, könnte sich die Umgestaltung in einen natürlichen oder naturnahen Wald positiv auf die Waldbrandgefahr auswirken. (Mehr Infos dazu in unserem Ratgeber "Die Renaturierung der Niers und andere naturnahe Räume zwischen Aspermühle und Kessel Teil 2.)

Denn auch wenn der Reichswald das Wort Wald in seinem Namen trägt, so ist er doch größten Teils ein Monokultur-Nutzforst, der der Holzversorgung dient.

Ist die Trinkwasserversorgung im Reichswald gefährdet?

Das nächste Argument wäre die angeblich beeinträchtigte Trinkwasserversorgung des Kreises Kleve. Im Kreis Kleve werden etwa 100.000 Bewohner mit Trinkwasser versorgt, welches unter dem Reichswald gewonnen wird.

Die Gegner der Initiative sehen diese Trinkwasserversorgung gefährdet, sollte der Reichswald in einen Nationalpark umgewandelt werden.

Dem widerspricht das Land Nordrhein-Westfalen auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite:

So können auf der Internetseite https://nationalpark.nrw.de im Bürgerdialog Fragen gestellt werden.

In Bezug auf eine eventuell gefährdete Trinkwasserversorgung wird in diesem Forum deutlich kommuniziert, dass die Versorgung der Bürger mit Trinkwasser ein übergeordnetes Interesse ist und somit sowohl Wartung von bereits bestehenden Brunnenanlagen als auch der Neubau sichergestellt sind.

Fehlender Zugang zur Natur im Nationalpark?

In der Argumentation der Gegner des Nationalparks ist folgender Satz zu lesen:
„Der Wald soll für alle Menschen uneingeschränkt zugänglich bleiben – für Familien, Kinder, Schulen, Hundebesitzer, Reiter und Radfahrer“.

Wieso der Zugang zum Wald für diese Personengruppen in Zukunft nicht mehr möglich sein soll, wird nicht deutlich.

Zunächst muss aber deutlich werden, dass es auch jetzt schon keinen uneingeschränkten Zugang zum Reichswald gibt, da der Großteil des Reichswalds als Landschaftsschutz- bzw. Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Somit versteht es sich von selbst, dass sowohl Menschen als auch Hunde und Pferde die Wege nicht verlassen, um den Wald intakt zu lassen und die Tiere nicht zu stören.

Natürlich wird man auch in Zukunft den Wald weiterhin mit Pferd, Fahrrad und Hund auf den vorhandenen Wegen betreten können. Dies funktioniert im Nationalpark Eifel schließlich auch problemlos.

Stellt der Wolf ein Gefährdung im Wald dar?

Was im Nationalpark Eifel offenbar ebenso unproblematisch funktioniert, ist die Rückkehr des Wolfs. Seit 2021 gibt es im Nationalpark Eifel bestätigte Wolfssichtungen und seit 2024 hat sich dort ein Rudel Wölfe, bestehend aus insgesamt 12 Wölfen, 2 Elterntiere, 3 Jährlinge (Wolf im 2. Lebensjahr) und 7 Welpen angesiedelt.

Wolf mit Rudel
Wolf mit Rudel

Von einer Gefährdung der Bevölkerung ist hierbei allerdings nicht auszugehen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gibt an, dass Wölfe äußerst scheue Tiere sind, Menschen meiden und auch Wölfe, die in dicht besiedelten Gebieten heimisch sind, die Scheu vor dem Mensch nicht verlieren.

Das BMUV verweist hierzu auf eine Studie des Instituts für Naturforschung in Norwegen, das weltweite Berichte über Wolfsangriffe auf Menschen ausgewertet hat und zum Schluß kommt, dass es in der Vergangenheit nur wenige Angriffe von Wölfen auf Menschen gegeben hat und diese in der Regel mit Tollwut, Provokation und Futterkonditionierung in Zusammenhang standen. Die Tollwut gibt es in Deutschland nicht mehr und es ist davon auszugehen, dass Menschen schlau genug sind, Wildtiere nicht mit Futter anzulocken oder diesen beispielsweise nachzustellen, weil sie beispielweise die Jungtiere so niedlich finden.

Da der Wolf außerdem nicht lesen kann, weiß er nicht, dass ein Wald ein Nationalpark ist. Er hätte somit natürlich auch jetzt schon Gelegenheit, sich im Reichswald anzusiedeln.

Und da auch ein analphabetischer Wolf immer noch ein sehr intelligentes Tier ist, kann der Argument der fehlenden Zäune  nicht gelten, da der aktuelle Zaun um den Reichswald natürlich nicht hermetisch abgeriegelt ist und auf der gesamten Fläche über Öffnungen verfügt, die teilweise zwar mit Wildgitterrosten ausgestattet sind, welche dem Wolf aber wohl kaum ein adäquates Hindernis bieten dürften.

Eine ähnliche Argumentation dürfte wohl auf die Angst vor Wildunfällen zutreffen, zumal laut Landesregierung Zäune natürlich auch in einem Nationalpark genutzt werden und somit nicht zwangsläufig entfernt werden müssen und es auch jetzt schon zu Wildunfällen kommt, wie in jedem anderen Waldgebiet auch.

Bauernproteste gegen den Nationalpark Reichswald

Hierbei soll von unserer Seite auch auf die Landwirte eingegangen werden, die am 16.11.204 mit einem Zug von 130 Traktoren im Kreis Kleve unterwegs waren, um gegen den Nationalpark zu demonstrieren. Leider geht aus der Seite des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes nicht hervor, welche Befürchtungen von Seiten der Landwirte bestehen.

Ein höherer Verbissschaden ist durch die bestehen bleibenden Zäune nicht zu erwarten und Abstandsregelungen, die für das Ausbringen von Pestiziden und Herbiziden gelten auch jetzt schon und ändern sich nicht.

Die von den Bauern erwarteten erhöhten Nitratwerte durch Totholz stellen auch jetzt schon ein Problem dar, allerdings nicht wegen des Totholzes, sondern wegen der konstanten Überdüngung der Böden durch die Bauern, weshalb gegen Deutschland bereits ein Verfahren durch die EU-Kommision eröffnet wurde, was zum Erlass strengerer Düngeregeln führte.

Reichswald mit angrenzendem Feld
Reichswald mit angrenzendem Feld

Hohe Kosten für den Nationalpark Reichswald?

An dieser Stelle wird anhand des Nationalpark Eifels angegeben, dass dieser das Land NRW jährlich 10 Millionen Euro kosten würde und das Gelder besser in Schulen und Kindergärten fließen sollten.

Dies ist selbstverständlich ein Scheinargument, denn der Nationalpark verursacht natürlich nicht nur Kosten, sondern sorgt durch Einnahmen im Tourismus für satte Umsätze von 76 Millionen Euro in der gesamten Region, was eine Verdopplung der Umsätze innerhalb eines Jahrzehnts darstellt und dadurch natürlich Arbeitsplätze schafft und die Infrastrukturentwicklung vorantreibt. Auch Arbeitnehmer zahlen Lohnsteuer und investieren ihr Gehalt wieder in der Region. Diese Investition von 10 Millionen Euro wird also um ein Vielfaches wieder hereingeholt.

Aber nicht nur die Umsätze sind hier von Relevanz.

Wer meint Kindergarten bzw. Schulen gegen Umwelt- und Naturschutz ausspielen zu müssen, gibt eigentlich nur preis, wie wenig ein modernes und zukunftsfähig Bildungswesen verstanden wurde.

Panorama Eifel
Panorama Eifel

Im Nationalpark Eifel finden jährlich Bildungsprogramme mit mehreren 10.000 Teilnehmern statt, die Wissen anschaulich vermitteln und Kindern eine Wertschätzung für den Wald, die darin lebenden Tiere und Pflanzen und deren Symbiose vermitteln, die sie in einem Klassenzimmer wohl kaum lernen. Wenn man schon das Wohlergehen von Kindern vorschiebt, dann sollte man nicht vergessen, dass wir im Zeitalter des Klimawandels, der Flutkatastrophen und Dürren leben und das ein gesunder Wald, eine Grundlage für eine lebenswerte Zukunft der aktuell Heranwachsenden darstellt. Aber eben nicht nur für den Mensch, sondern auch für alle Arten, die sich im Wald wiederfinden, die oft vom Aussterben bedroht sind und die man auch in 50 oder 100 Jahren noch auf diesem Planten wiederfinden will.

Abholzung von Europäischen Regenwäldern in der Forstwirtschaft

Ein weiteres und wahrscheinlich wohl eines der wichtigsten und nicht von der Hand zu weisenden Argumente, ist die Abholzung von Urwäldern in Ländern wie Rumänien, um den Hunger nach Holz zu stillen, welches vor allem zu Wegwerf-Möbeln, Pellets und Konstruktionsholz aus dem Baumarkt verarbeitet wird.

Diese traurige Praxis wird natürlich verstärkt, wenn Holz aus der Forstwirtschaft knapper wird.
Heuzutage geht man davon, dass circa 45% der Europäischen Urwälder innerhalb der letzten 20 Jahre verschwunden sind, wofür vor allem der illegale Holzhandel verantwortlich sein dürfte.
Während weltweit rund 30% des gehandelten Holzes auf illegale Quellen zurückzuführen ist, sind es in Rumänien sogar bis zu 50%.

Doch was muss man tun, um dieser unrühmlichen Entwicklung Herr zu werden?

Leider gibt es hierauf keine einfache Antwort, denn zum einen wächst die Nachfrage nach Rohstoffen stetig und zum anderen zwingt uns der Klimawandel zum Umdenken und zu Veränderungen. Dies ist natürlich eine konfrontative Entwicklung.

Abgestorbene Fichten
Abgestorbene Fichten

Das die Monokultur-Forstwirtschaft kein Zukunftsmodell ist, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Trockenheit und Borkenkäfer haben die Fichtenwäldern derartig zugesetzt, dass je nach Region bis zu 80% der Bäume abstarben und gefällt werden mussten.

An dieser Stelle weisen wir noch einmal auf unseren Ratgeber "Der Borkenkäfer zwischen Forstwirtschaft und Waldnaturschutz" von Anna-Lea Ortmann hin.

Die Verfechter dieses Forstwirtschaftsmodells stehen somit auf verlorenem Posten.

Das ein Waldumbau stattfinden muss, ist unumstritten, denn ein gesunder Mischwald mit möglichst artenreichem Bestand ist deutlich resistenter gegen Trockenheit, Schädlinge und Krankheiten.

Buchen und Eichen im Reichswald
Buchen und Eichen im Reichswald

Zwar wurde mit dem Waldumbau bereits in den 90er Jahren begonnen, Laubbäume, wie die Buche oder die Eiche sind allerdings langsam wachsende Bäume, die Jahrzehnte benötigen, um zu großen Bäumen heranzuwachsen. Ein Flächenkahlschlag, wie er früher teilweise stattgefunden hat, wird heutzutage ebenfalls kritisch gesehen, da hier ein erhöhtes Risiko der Bodenaustrocknung und -erosion besteht. Nachwachsende Bäume haben hier nur schwer eine Chance, da der Schutz und Schatten den große Bäume bieten würden verloren geht und Bäume durch sogenannte Vergrasungen regelrecht ersticken.

Gegenbeispiele zur Komplettrodung sind zum Beispiel der Schirmschlag, bei dem einzelne Bäume entnommen werden, oder der Saumschlag, bei welchem nur schmale Streifen auf einer Fläche gerodet werden.
In beiden Fällen ist es wichtig, dass mindestens 40% der ursprünglichen Beschattung erhalten bleibt, um das vorherrschend Waldklima nicht zu stark zu beeinträchtigen.

Auf jeden Fall bleibt das Fazit, dass die erwirtschafteten Holzmengen durch den Waldumbau in Zukunft geringer ausfallen dürften.

Dies lässt eigentlich nur den Schluss eines nachhaltigeren Konsums zu. Auch wenn der Wunsch einer dauerhaften Wohlstandvergrößerung verständlich ist, so ist er dennoch nicht realistisch. Eine stetige wachsende Bevölkerung, die das stetige Bedürfnis nach einer Wohlstandvergrößerung, geht nicht Hand in Hand mit einem Planeten, dem nur endliche Ressourcen zur Verfügung stehen. Von einem Baum, der nur 100kg Äpfel trägt, kann man keine 200kg ernten.

Somit besteht eigentlich nur die Chance, Konsumgüter so langlebig wie möglich zu bauen. Während man heutzutage oft Möbel kauft, die vielleicht einen Umzug überstehen, hielten diese früher oft mehrere Jahrzehnte und wurden gegebenen Falls sogar weiter vererbt. Dieses Beispiel kann man auf viele andere Bereiche wie Mode und Technik  anwenden.

Es es nicht einzusehen, warum ein über Jahrhunderte gewachsener Baum zu einem Schrank verarbeitet wird, der 5 Jahre später wieder im Shredder landet.

Ein großer Teil unseres Reichtums spiegelt sich eben nicht auf dem Bankkonto, sondern in einer intakten und artenreichen Natur wieder.

Im nachfolgenden Video wird gezeigt, wie ein nachhaltiger Waldumbau stattfinden kann.

Mit dem Thema Bankkonto kommen wir zu einem Punkt, bei dem sich offenbar viele Befürworter und Gegner des Nationalparks Reichswald einig sind, der aber durchaus eine gewisse Brisanz bietet, die Windräder.

Windkraftanlagen im Reichswald

Auf das Für- und Wieder von Windrädern im Wald soll an späterer Stelle eingegangen werden. Zunächst wollen wir die politische Dimension beleuchten.

Die politischen Gegner des Projekts „Nationalpark Reichswald“ bringen viele nicht haltbare Argumente in die Diskussion ein.
Ein Fakt der aber keine große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat und diese offensichtlich auch nicht erfahren soll, ist das Interesse des CDU geführten NRW-Landwirtschaftsministerium, den Nationalpark Reichswald aus rein finanziellen Gründen zu verhindern.
In 2014 unterzeichnete die damalige NRW Landesregierung einen Vorvertrag mit einem Windkraftanlagen-Anbieter, der vorsah im Klever Reichswald insgesamt 11 Windräder zu errichten.

Pro Windrad würden dem Landwirtschaftsministerium 286.000Euro, also insgesamt über 3 Millionen Euro pro Jahr, in die klammen Kassen gespült, denn allein im Jahr 2023 fehlten dem Ministerium dem Ministerium unterstellen Landesbetrieb „Wald und Holz NRW“ rund 5,88 Millionen Euro.

Dies erklärt deutlich warum die CDU massiv Stimmung macht und auch vor gezielten Falschinformationen, die einer demokratischen Partei absolut unwürdig sind, nicht zurück schreckt.

Darüber hinaus nutzt sie die Angst von Windrad-Gegnern gezielt aus, indem sie in Ihrer Argumentation gegen den Nationalpark Reichswald schreibt „Ein Nationalpark verhindert nicht den Bau von Windrädern am Reichswald!“ und versucht damit die Gegner von Windrädern in die Enge zu treiben, diese zur Aufgabe zu bewegen und einen bereits gefundenen kommunalen Konsens entgegen zu treten um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Es ist absolut in Ordnung gegensätzlicher Ansichten zu sein. Den politischen Gegner aber mit gezielten Falschinformationen hinters Licht zu führen und dessen Angst auszunutzen, ist dagegen schlichtweg unmoralisch.

Zumal das Thema Windkraft die Gemüter ohnehin schon genügend erhitzt.

Nehmen wir also das Thema Windkraft als Schnittstelle von Befürwortern und Gegnern des Nationalparks.


Während so mancher Gegner aus politischen Gründen nur vorgibt gegen die Windräder im Reichswald zu sein, gibt es unter den Befürwortern tatsächlich Menschen die den Windkraftanlagen sicher nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen, diese aber eben nicht im Reichswald aufgestellt sehen wollen.

Einer der Hauptgründe für die Ablehnung der Windräder dürfte sicher das vermeintliche Vogelsterben sein. Doch wie groß ist dieses Problem tatsächlich?

Grafik Statistik Ursachen Vogelsterben

Vogelsterben durch Windräder?

Der Ingenieur und Wissenschaftler Professor Volker Quaschning schreibt auf seiner Webseite etwas polemisch zum Thema Vogelkiller Windkraft? Erschießt alle Katzen!“ und weist damit einerseits darauf hin, dass durch Windkraftanlagen tatsächlich Vögel sterben, etwa 100.000 pro Jahr, andererseits wird der überwiegende Teil der Vögel in Deutschland, laut Nabu zwischen 190 – 283 Millionen, durch Glasscheiben, Verkehr, Katzen und schlecht isolierte Stromleitungen getötet. Die Zahl der durch Windkraftanlagen getöteten Vögel liegt also im Promille-Bereich im Verhältnis zu den sonstigen Ursachen getöteter Vögel.

Daher sind Vogelschützer in der Regel dennoch Befürworter von Windkraftanlagen, denn die weit größere Gefahr für Vögel, dürfte der zukünftige Klimawandel werden. Verlust von Nahrungsgrundlagen,Lebensraum, Brutgebieten und die Verschiebung von Jahreszeiten sind nur einige Probleme mit denen Vögel auch heute schon zu kämpfen haben und die sich in den kommenden Jahrzehnten noch deutlich verschärfen werden.

Ob man für die Windräder nicht dennoch besser auf Felder ausweicht, liegt wiederum am Konsument. Aktuell werden allein eine Million Hektar Landfläche für den Anbau von Futtermais verwendet. Ein seltener und dafür bewussterer Fleischkonsum könnte hierbei durchaus Flächen freigeben.

Dies bringt uns zu einem deutlichen Pluspunkt für den Nationalpark Reichswald, dem Artenschutz.

Hornisse Am Baumstamm
Hornisse Am Baumstamm

Nationalpark Reichswald - Ein Schritt für den Artenschutz

Unbestritten ist der Artenschutz eine der größten Herausforderungen für zukünftige Generationen.

Die „Rote Liste gefährdeter Arten“, welche seit 1966 von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur und der natürlichen Ressourcen (IUCN) herausgegeben wird, hat in Ihrem letzten Bericht von Oktober 2024 einen traurigen Rekord festgestellt.

Demnach sind 46.300 Arten von den 166.000 in der roten Liste erfassten Arten akut vom Aussterben bedroht. Auch Baumarten standen erstmals mit auf der Liste, von denen ebenfalls 38% als gefährdet eingestuft wurden. Ein Tier, das es erstmals auf die Liste schaffte und mit dem sich wohl die meisten Menschen anfreunden können, ist der Westeuropäische Igel, bei dem es regionsweise einen Populationseinbruch von bis zu 50% gab.

Nun muss man wissen, dass die rote nur einen Bruchteil der Arten auflistet, die weltweit tatsächlich vorhanden sind.

Denn aktuell gibt es bereits circa 1,8 Millionen tatsächlich nachgewiesene und beschriebene Arten.

Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass mindestens 10 Millionen, eventuell sogar deutlich mehr, Arten auf unserem Planeten leben.

In seinem Bericht zur biologischen Vielefalt und Ökosystemleistungen in 2019 zeigt der Weltbiodiversitätsrats (IPBES) den schlimmen Zustand unseres Planeten auf. Nachfolgend finden sich einige der im Bericht enthaltenen Fakten:

  • 85% der vorhanden Feuchtgebiete sind bereits verloren gegangenen
  • Die Verschmutzung der Meere mit Plastik hat sich sein 1980 verzehnfacht
  • 300 bis 400 Millionen Tonnen Schwermetalle, Lösungsmittel, Giftschlamm und andere Industrieabfälle gelangen jährlich in die Gewässer
  • Ebenfalls ab 1980-2015 wurden 132 Millionen Hektar tropischer Regenwald abgeholzt
  • Rund die Hälfte der Korallenriffe ist sein Ende des 19. Jh. verschwunden
  • Durch den Verlust der Korallenriffe steigt das Überflutungsrisiko für bis zu 300 Millionen Menschen
  • Durch den Verlust durch Insekten droht ein Bestäuberverlust von bis zu 577 Milliarden Dollar/Jahr
Regenwald Abholzung
Regenwald Abholzung

Diese Zahlen sind einfach nur unfassbar traurig und verdeutlichen die Obligation zum sofortigen Handeln.

Deshalb sollte die Option, den Reichswald zum Nationalpark umzugestalten und somit einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und zum Artenschutz zu leisten, ergriffen werden.

Denn an den Beispielen Nationalpark Bayrischer Wald und Nationalpark Eifel zeigt sich, dass eine derartige Umgestaltung nicht über Nacht geschieht, sondern viel Zeit und viel Arbeit benötigt.

Hier sprechen wir nicht nur von einem Zeitraum von Jahrzehnten sondern eher Jahrhunderten, deshalb sollte so früh wie möglich begonnen werden.

In den vergangenen Jahren wurden in den beiden Nationalparks bereits viele Maßnahmen angestoßen, begonnen bei der Rückvernässung von Mooren, Renaturierung von Flüssen, Verjüngung von Baumbeständen und Waldentwicklung, über die gezielte Schaffung von Biotopen für Tiere und die Entfernung von unerwünschten Neophyten.
Diese Entwicklungen kann man sich in den jeweiligen Berichten der beiden Nationalparks ansehen und die Erfolge sind dabei offensichtlich.

Laut der Webseite des Nationalparks Eifel wurden im Nationalpark 11.413 Arten nachgewiesen, von denen 2.617 als bedrohte Arten auf der Roten Liste stehen.

Dasselbe ist im Nationalpark Bayrischer Wald zu beobachten, wo sich Lebensräume wieder in ihren natürlichen Zustand zurück begeben und verdrängte Arten wieder Fuß fassen können.

Aber auch direkt am Reichswald wurden schon Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt. So wurden Teilstücke der Niers in ihren ursprünglichen Zustand zurück versetzt und bieten zahlreichen Arten neuen Lebensraum. Totholz wird mittlerweile in der Regel nicht mehr entfernt und so finden sich auch im Reichswald schon viele schützenswerte Arten. So sind Bussard, Habicht und Sperber in einer hohen Populationsdichte anzutreffen. Aber auch den Ruf des Kauzes und des Uhus sind des Nachts im Reichswald zu vernehmen. An den Buchen finden sich die Höhlen des Schwarzspechts und die Flußufer der Niers bieten dem Eisvogel eine Heimat. Aber auch verschiedene Fledermausarten, der Biber, Kreuottern, Ringelnattern, Blindschleichen und Dachse sind im Reichswald heimisch. Also durchaus ein schützenswertes Durcheinander.

Niers im Reichswald
Niers im Reichswald

Die Rückführung des Waldes ist nicht nur aus Arten- und Diversitätsschutzgründen wichtig, sondern auch aus Klimaschutzgründen.

Nationalpark Reichswald für den Klimaschutz

Wälder gehören neben Ozeanen und Boden zu den größten CO2-Speichern auf dem Planeten.

Aber dieses System droht zu kippen.
Während die Wälder in Deutschland zwischen 2001 und 2022 noch rund 100 Megatonnen an CO2 Äquivalent aufnahmen und rund 30 Megatonnen davon emittierten, netto also rund 70 Megatonnen speichern konnte, wurde der Wald nach den Dürrejahren zwischen 2018 und 2023 zu einem Netto-Emittent für CO2.

Wie bereits oben beschrieben, setzt Dürre reinen Monokultur-Nadelwäldern, der Fichte als Flachwurzler im Besonderen, besonders zu und bieten dem Borkenkäfer die Möglichkeit die geschwächten Bäume im Übermaß zu befallen und zum Absterben zu bringen.

Woher aber kommen die Fichtenwälder?

Die im Mittelalter begonnene Abholzung der Wälder, für die Gewinnung von Ackerflächen, Bauholz (auch durch die Flößerei für den Schiffsbau), Brennmaterial zum heizen, Glashütten, Salinen oder Köhlereien wurde für die Gewinnung von Holzkohle als Energieträger in der Eisenerzgewinnung im 16-18 Jahrhundert, bis zum Einsetzen der industriellen Revolution fortgesetzt und intensiviert, was zu großen Verlusten an Waldflächen sorgte.

Hallimasch an Fichtenstumpf
Hallimasch an Fichtenstumpf

Diese Entwaldung führte letztendlich zu einer Holznot. Denn auch wenn in der Industrie die Holzkohle Stück für Stück durch Steinkohle und andere fossile Energieträger abgelöst und Holz- durch Steinbauten ersetzt wurde, blieb Holz als Brenn- und Baustoff immer noch gefragt und führte schließlich zur Einführung der Forstwirtschaft und der Wiederaufforstung mit vorrangig Fichten und all den heutzutage bekannten Problemen,

Eine Abhilfe schafft hier nur ein Umdenken und die Umstrukturierung in einen naturnahen Mischwald, der im Vergleich deutlich resistenter ist.

Das ein solcher Umbau sicherlich erst einmal Zeit und Geld kostet ist deutlich geworden, aber er bringt natürlich noch weitere Vorteile mit sich.

Einer dieser Vorteile dürfte die touristisch Entwicklung und der damit verbundene Ausbau der Infrastruktur sein.

Tourismus und Infrastruktur durch die Entwicklung zum Nationalpark

Im NP Eifel waren im Jahr 2022/2023 fast 1.4 Millionen Besucher zu Gast und sorgten für einen Umsatz von 76 Mio. Euro, der der regionalen Wirtschaft durchaus gut tun dürfte.

Das der Reichswald in Kleve solche Besucherzahlen erwarten kann ist natürlich nicht realistisch.

Aber einerseits hat auch der NP Eifel einmal klein angefangen, mit 450.000 Besuchern im Jahr 2007 und andererseits muss der Reichswald natürlich erst einmal entwickelt werden und das geht nicht über Nacht.

Es muss auch berücksichtigt werden, dass der Reichswald mit 5100 Hektar eine deutlich kleinere Fläche als der NP Eifel mit 10.770 aufweist.
Aber hierbei kann man durchaus auf Synergieeffekte mit den umliegenden Gebieten hoffen.
So grenzen in unmittelbarer Umgebung an den Klever Reichswald der Wald bei Groebeek, die Mookerheide, der NP Maasduinen, der Kranenburger Bruch, der Uedemer Hochwald und das NSG Düffel inklusive Altrhein und Flussmarschen an.

Der NP Reichswald ist also in guter Gesellschaft.

Die Schönheit des Nationalparks Eifel kann man sich im folgenden Video ansehen.

Der letzte Punkt auf den wir eingehen wollen, ist die Bildung.

Der Wald als generationsübergreifende Bildungsstätte

Das Lernen durch eigene Erfahrung und Erleben einprägsamer ist, als Frontalunterricht, ist mittlerweile durchaus in der Pädagogik angekommen, auch wenn es in der Umsetzung leider oft noch hapert.

Somit dürften Schüler von einem Besuch im Wald durchaus in einigen Fächern profitieren.

Die naheliegendsten Fächer sind hierbei der Sachkunde- und Biologie-Unterricht. Natürlich ist es im Wald am leichtesten zu lernen, welche Tiere und Pflanzen es gibt, wie diese aussehen, sich anhören, riechen und schmecken und welche Funktion sie in einem Ökosystem erfüllen. Aber natürlich auch, wie ein Ökosystem aufgebaut ist, welche Bedeutung es für den Mensch hat und warum es schützenswert ist lernt man am besten vor Ort.

Auenwiese am Reichswald
Niersaue am Reichswald

Genau dies findet im Nationalpark Eifel bereits statt. Hier nutzen Kitas und Schulklassen bereits ein breites und lehrplanbezogenes Bildungsangebot. Dieselbe Chance bietet natürlich auch der Reichswald in Kleve.

Aber nicht nur für die Primarstufe ist der Wald als Bildungsstätte sinnvoll. Biologie, Chemie und Geografie sind auch in höheren Stufen gut im Wald erfahrbar.

Die Funktionsweise von Photosynthese und ihre Bedeutung für den Planeten, der Wasserkreislauf, Aufbau von Bodenschichten, Aufbau von Zellen, und vieles mehr.

Gerade der Reichswald eignet sich besonders für den Geografie- und Geschichtsunterricht, da er auf einer Endmoräne steht, die die Landschaft mit dem Niederrheinischen Höhenzug nachhaltig geprägt hat und da in beiden Weltkriegen Schlachten ausgetragen wurden, die deutliche Spuren hinterlassen hat. So finden sich noch Schützengräben, Bombenkrater, Stellungen und Bunker aus dem 1. Weltkrieg und 2. Weltkrieg im Reichswald.

Hier kann natürlich leicht ein Bogen zu Ethik- und Politikunterricht gespannt werden. Auch die Reinigungsfunktion die der Reichswald für unser Trinkwasser hat, kann leicht thematisiert werden und auch hier können weltpolitische Themen, wie fehlender Zugang zu sauberen Trinkwasser, die Abholzung von Regenwäldern und die daraus folgenden Auswirkungen auf den Klimawandel lassen sich hier leicht thematisieren.

Bleibt also festzuhalten, dass der Reichswald in Kleve sicher nicht über Nacht und sicher nicht ohne Aufwand und harte Arbeit zu einem funktionierendem Nationalpark nach dem Vorbild den NP Eifel werden wird, aber großes Potential ist dennoch vorhanden. Bleibt abzuwarten, was der Bürgerentscheid bringen wird.